Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete, liebe Cottbuserinnen und Cottbuser,
um es gleich vorweg zu nehmen: Das wird keine Abschiedsrede. Wir haben in den kommenden knapp 13 Monaten noch viel zu tun mit Blick auf die Zukunft. Bis November 2022 werde ich mit ganzem Herzen OB dieser schönen Stadt sein. Wir sind recht gut in Fahrt gekommen, wir haben vieles auf den Weg gebracht oder, wie ich es an anderer Stelle schon formuliert habe: Es sind viele Gleise in die Zukunft gelegt. Die Züge müssen dann gegebenenfalls andere draufstellen. Das macht ohnehin der Oberbürgermeister nicht allein. Stadtentwicklung und Strukturwandel sind immer Gemeinschaftswerke. Wir alle tragen gemeinsam Verantwortung für das Werden und Wachsen unserer Stadt.
Sehr geehrte Damen und Herren,
seit gestern Abend steht „Graf Arnim“ unter Dampf. Die Lok ist aufwendig restauriert worden und steht nun wieder im Dienst der Cottbuser Parkeisenbahn. Sie zeigt ein gelungenes Zusammenspiel von ehrenamtlichem Engagement und Bürgersinn im Förderverein mit dem städtischen Unternehmen Cottbusverkehr, der Verwaltung und den Bahnspezialisten.
Die Rückkehr der Dampflok symbolisiert zudem eine schöne Verbindung von Tradition und Moderne, wenn wir unserer Parkbahn ihr Aushängeschild zurückgeben können und sich unsere Stadt gleichzeitig rüstet, das modernste Instandhaltungswerk der „großen“ Bahn zu bekommen.
Der Strukturwandel ist damit nicht mehr nur spürbar, er ist jetzt auch sichtbar in unserer Stadt. Die Bahn sorgt hier für die erste Milliarden-Investition in unserer Stadt. Es ist gut zu hören, dass die Bahn den Leag-Beschäftigten erste Angebote für neue Jobs und entsprechende Qualifizierung macht. Die universitäre Medizinerausbildung soll das zweite Strukturwandel-Vorhaben dieser Größenordnung werden. Das Gründerzentrum ist am Start, für den Bau des Info-Punktes am Hauptbahnhof haben wir den ersten Spatenstich ausgeführt, und bei meinen regelmäßigen Besuchen konnte ich mich davon überzeugen, wie engagiert Fraunhofer und DLR ihre neuen Standorte hier bei uns angehen. Morgen wird zudem das neue Domizil der Bundesnetzagentur in Cottbus/Chóśebuz eröffnet.
Ich bin überzeugt, dass all diese Ansätze in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ihre Wirkung im Wandel zeigen werden. Dennoch blicke ich mit Sorge und Unbehagen auf einen Teil der Koalitionsverhandlungen, die in Berlin begonnen haben. Was die Lausitz neben neuen Arbeitsplätzen für den Kohlebergbau in erster Linie einfordert, sind Vertrauen und Verlässlichkeit im Handeln der politisch Verantwortlichen. Deshalb kann ich nur davor warnen, den Kohlekompromiss mit dem Ausstiegsdatum 2038 zu verwässern und den Ausstieg vorzuziehen. Die Lausitz braucht diese Zeit für die Wandlungsprozesse, und sie muss sich deshalb auf den einmal gefundenen Kompromiss verlassen können. Selbstverständlich begrüße ich die Ankündigungen, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, allein wissen wir doch alle, wie derzeit die Praxis aussieht. Selbst einfache Bebauungspläne brauchen einen zeitlichen Rahmen von gut 1,5 Jahren. Der Wandel braucht also deutlich mehr Zeit, als das man leichtfertig und eher technokratisch betrachtet von einem Kohleausstieg 2030 sprechen kann.
All das habe ich in einem Brief an die Damen und Herren zusammengefasst, die jetzt in Berlin die neue Regierungskoalition aushandeln. Die Forderung ist klar: Am Kohlekompromiss ist nicht zu rütteln. Wenn sich die Koalitionäre dennoch auf einen früheren Ausstieg einigen, dann muss dieses Datum von einem klaren Fahrplan begleitet und mit weiteren gezielten Investitionen des Bundes einhergehen, um strukturelle Brüche abzufedern. Alles andere wirft uns zurück in die 1990er Jahre.
Sehr geehrte Damen und Herren,
seit Wochen gelangen mehr und mehr Flüchtlinge über Belarus und Polen nach Deutschland. Das Land Brandenburg ist eines der wichtigsten Einfallstore dieser neuen Flüchtlingsschleuse. Ich verfolge das Geschehen und die spürbare Ohnmacht der politisch Verantwortlichen genau so wie viele Menschen mit Kopfschütteln. Es ist erschreckend, dass die europäische, die Bundes- und auch die Landespolitik erneut scheinbar hilf- und ziellos vor den Problemen stehen. Kein Wunder, dass viele Menschen vor allem in den Grenzregionen das Gefühl haben, dass in den zurückliegenden fünf, sechs Jahren offenbar nichts unternommen worden ist, um eine ähnliche Welle wie die von 2015/2016 und ihre Folgen und Herausforderungen nun besser in den Griff zu bekommen.
Wenn die Situation nicht so ernst wäre, müsste ich schmunzeln, wenn ich sehe, wie sich einzelne Landräte vor den Fernseh-Kameras produzieren und dabei vergessen zu erwähnen, dass genau sie es sind, die im Rückstand bei der Flüchtlingsaufnahme im Land sind. Deshalb bleibe ich dabei: Die Stadt Cottbus/Chóśebuz ist am Limit, was die Aufnahme betrifft, wir sind übers Limit, was die Plätze an Schulen und Kitas betrifft. Und wir haben ausreichend zu tun, um alle Integrationsaufgaben zu stemmen bzw. überhaupt anbieten zu können. Insofern plädiere ich erneut dafür, dass im Land Brandenburg eine Wohnsitzauflage für Flüchtlinge eingeführt wird. Wir brauchen dieses Steuerungsinstrument. Ja, das mag einen Teil der Freizügigkeit von Menschen einschränken. Doch die Auflage betrifft jene, die zumeist illegal über verschiedene Ländergrenzen geschleust worden sind und deren Status oft ungeklärt ist. Ich wiederhole zudem meine Forderung, dass die Solidarität für Menschen in Not genau so gelten muss wie die Solidarität der Landkreise und kreisfreien Städte untereinander bei der Verteilung dieser Menschen auf die Kommunen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
lassen Sie mich noch auf einige kommunalpolitische Dinge eingehen. Wie wir verfolgen konnten, ist die Brachfläche in der Stadtpromenade mittlerweile beräumt und in Ordnung gebracht worden. Damit ist das geschehen, was wir von jedem Grundstückseigentümer in unserer Stadt, ob in Schmellwitz oder Sachsendorf, in Gallinchen oder Merzdorf, erwarten dürfen. Zu weiteren laufenden Verfahren sind nun Unterlagen in der Verwaltung eingegangen, die geprüft werden. Unabhängig davon wird es wie bereits berichtet am 11.11. 2021 die Anhörung im förmlichen Verfahren zum Baugebot geben. Kurzum: Es bewegt sich was.
In Anbetracht der langen Tagesordnung werde ich mich insgesamt kurzfassen. Dennoch bzw. gerade deshalb muss ich einmal mehr darauf hinweisen, dass Zahl und Umfang einiger Ihrer Anfragen an die Verwaltung ein Ausmaß angenommen haben, das nicht mehr tragbar ist.
Es geht nicht darum, ihr Recht auf Fragen zu beschneiden. Ich will nur deutlich machen, welcher Aufwand mit der Beantwortung verbunden und wie viel Zeit dafür in Anspruch genommen werden muss; Zeit, die für die Abarbeitung der laufenden Aufgaben fehlt. So mussten für die Beantwortung der Anfrage zur Abrechnung der Kita-Finanzierung mehr als 9.000 Datensätze geprüft werden. Insgesamt haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus zwei Ämtern ca. 60 Arbeitsstunden aufwenden müssen. Fachlich betrifft das genau jene Beschäftigten, die mit der Abrechnung der Verwendungsnachweise befasst sind – deren lange Bearbeitungszeiten die Fragesteller ja gerade monieren. Zudem wird in den Sitzungen der Fachausschüsse sowie im Unterausschuss Kita regelmäßig über die Sachstände informiert. Hinzu kommen weitere Belastungen durch Unterstützung im Gesundheitsamt im Zuge der Corona-Pandemie sowie bei der Bescheidung der Kita-Notbetreuung.
Sehr geehrte Damen und Herren,
der November und genauer gesagt die kommende Woche hält mehrere Höhepunkte und Anlässe bereit.
Wir gedenken am 09. November der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die auch in Cottbus unter der Nazidiktatur drangsaliert, entwürdigt, entrechtet, vertrieben und ermordet worden sind. Das ist unsere Verantwortung vor der Geschichte, vor der Geschichte unseres Landes. Dieser Verantwortung können und wollen wir uns nicht entziehen. Zumal wir wissen, dass sich der Antisemitismus auf verschiedene Weise in Deutschland wieder breitmacht.
In der kommenden Woche startet das 31. Filmfestival Cottbus wieder in Kinos und weiteren Spielstätten, gleichzeitig aber auch mit einem Online-Angebot sowie diversen Hybrid-Veranstaltungen. Das ist mehr als die Rückkehr zum Gewohnten. Ich bin froh, dass unsere Stadt mit diesem Aushängeschild erneut weit über Grenzen hinaus präsent ist.
Gleichzeitig werden uns Freunde aus Zielona Gora unter Leitung des Stadtpräsidenten Janusz Kubicki besuchen. Wir werden dabei über neue gemeinsame Vorhaben sprechen und die Städtepartnerschaftsvereinbarung „Zukunftsvision 2030“ Cottbus/Chóśebuz – Zielona Góra unterzeichnen. Der Stadtpräsident wird sich dabei auch in das Goldene Buch unserer Stadt eintragen und damit den dritten Band dieses Ehrenwerkes eröffnen.
Die gleiche Ehre steht unter anderen der Cottbuser Bahnradsportlerin Emma Hinze zu, die bei den Weltmeisterschaften zwei Goldmedaillen gewonnen hat. Die RSC-Sportlerin hatte zuvor in einem bemerkenswerten Interview den Respekt vor jedweder Leistung eingefordert. Bei gleichen Titelkämpfen gab es sogar dreimal Gold für Lea Sophie Friedrich, die nun auch in Cottbus/Chóśebuz trainiert, sowie Bronze für Nik Schröter im Sprintteam der Männer. Unsere Anerkennung gilt gleichermaßen den Trainern und Betreuern, den Partnern und Sponsoren.
Cottbus/Chóśebuz ist eine von nur sechs Städten in ganz Deutschland, in denen mit einer Ausstellung die Anstrengungen und Erfolge der Städtebauförderung gewürdigt werden. Mit Blick auf unsere Innenstadt können wir stolz sagen: Cottbus/Chóśebuz kann sich sehen lassen. Hier wirkten und wirken öffentliche Förderung mit privatem Engagement und Bürgersinn für Eigentum und Heimat vortrefflich zusammen. Die Ausstellung wird ab dem 05. November und bis Ende des Monats in der Spreegalerie zu sehen sein.
Nicht zuletzt darf auch der Frohsinn wieder Einzug halten: Es wird am 11.11. einen Karnevalsauftakt in angemessener, das heißt, noch in abgespeckter Form geben. Deshalb muss es nicht weniger lustig sein. Und vielleicht interessiert sich da jemand schon für Rathausschlüssel und Kassenlage, der oder die auch für den Herbst 2022 Ambitionen hegt? Denn diese Erfahrung kann ich schon weitergeben: Manchmal braucht es eine gewisse närrische Haltung, um unsere schöne und bald 865-jährige Stadt weiter voranzubringen.
(Es gilt das gesprochene Wort.)