Vollzug des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushaltes – Wasserhaushaltsgesetz (WHG) vom 31.07.2009 (BGBl.I 2009 S.2585) in der zurzeit gültigen Fassung i. V. m. dem Brandenburgischen Wassergesetz (BbgWG) vom 02.03.2012 (GVBl.I Nr.20) in der zurzeit gültigen Fassung.
Allgemeinverfügung der Stadt Cottbus/Chóśebuz
zur befristeten Einschränkung des Eigentümer- und Anliegergebrauchs und von wasserrechtlich erlaubten Entnahmen aus Oberflächengewässern
Begründung
I. Sachverhalt
Der natürliche Wasserhaushalt leidet immer noch unter den Folgen der Trockenheit der Vorjahre und die sich fortsetzende Trockenheit in Verbindung mit hochsommerlichen Temperaturen verschärfen die wasserwirtschaftliche Situation zunehmend. Die aktuell hohen, teilweise über dem langjährigen Durchschnitt liegenden Temperaturen und die zu geringen Niederschlagsmengen haben das Wasserdargebot im Einzugsgebiet der Spree stark zurückgehen lassen.
Der zur Niedrigwasseraufhöhung zur Verfügung stehende Betriebsraum in der Talsperre Spremberg und den sächsischen Speichern wird bereits genutzt. Trotz der begonnenen Abflussstützung der Spree fielen die relevanten Abflüsse an den maßgeblichen Pegeln der Spree in den letzten Tagen unter die Schwellenwerte. Insbesondere der Abfluss am Spreepegel Leibsch wird hier herangezogen. Er soll nicht dauerhaft unter die Warnstufe von 4,5 m³/s absinken. Diese Warnstufe wird nunmehr seit dem 06.07.2023 dauerhaft unterschritten (siehe: https://pegelportal.brandenburg.de/start.php ).
Mit dieser Situation sind negative Auswirkungen insbesondere auf den Wasserhaushalt und auf den Zustand der wasserabhängigen Ökosysteme verbunden. Eine Verbesserung der meteorologisch-hydrologischen Situation ist vorerst nicht abzusehen, da die Prognosen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) gegenwärtig gleichbleibend hohe Temperaturen bei geringen Niederschlagsmengen vorhersagen.
Das Landesamt für Umwelt Brandenburg (LfU) hat im Rahmen seines Bewirtschaftungsermessens bereits begonnen Ableitungen aus der Spree u. a. in die Gräben im Cottbuser Stadtgebiet zu drosseln, um eine Mindestwasserführung in der Spree zu gewährleisten.
II. Rechtliche Gründe
Gemäß § 124 Abs. 2 BbgWG ist die kreisfreie Stadt Cottbus/Chóśebuz untere Wasserbehörde und als solche gemäß § 126 Abs. 1 BbgWG für den Vollzug des Brandenburgischen Wassergesetzes zuständig. Nach § 100 WHG ist es Aufgabe der Gewässeraufsicht, die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen, die nach oder auf Grund von Vorschriften dieses Gesetzes, nach auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen. Die zuständige Behörde ordnet nach pflichtgemäßem Ermessen Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigung des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach Satz 1 sicherzustellen.
Gemäß § 26 Abs. 2 WHG dürfen in den Grenzen des Eigentümer- und Anliegergebrauchs Eigentümer und Anlieger der an oberirdische Gewässer grenzenden Grundstücke Gewässer ohne Erlaubnis und Bewilligung benutzen, wenn dadurch andere nicht beeinträchtigt werden und keine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit, keine Verminderung der Wasserführung sowie keine andere Beeinträchtigung des Wasserhaushalts zu erwarten sind. Nach § 45 BbgWG gelten § 43 Abs. 2 und § 44 BbgWG sinngemäß.
Gemäß § 44 BbgWG kann die Wasserbehörde im Einzelfall oder durch Allgemeinverfügung die Ausübung eines Teilbereiches des Gemeingebrauches oder den Gemeingebrauch insgesamt regeln, beschränken oder verbieten, um
Die Wasserbehörde kann daher Anordnungen über die Ausübung des Gemein- sowie Eigentümer- und Anliegergebrauchs an oberirdischen Gewässern treffen, um den Wasserhaushalt gegen nachteilige Veränderungen der Eigenschaften des Wassers oder eine wesentliche Veränderung der Wasserführung zu schützen.
Zu 1.
Durch das dauerhafte Absinken des Wasserdargebots in den Oberflächengewässern im Spreegebiet sind sowohl die Wasserqualität als auch die Lebewesen in diesen Gewässern gefährdet. Die Oberflächengewässer müssen vor jeder vermeidbaren weiteren Beeinträchtigung geschützt werden. Deshalb ist dafür zu sorgen, dass Wasserentnahmen, die den Abfluss der Fließgewässer verringern können, eingeschränkt bzw. unterbunden werden. In Kombination mit weiteren Maßnahmen des Niedrigwassermanagements ist die Einschränkung des Anliegergebrauchs erforderlich. Die Entnahme von Wasser aus Oberflächengewässern zu verringern ist ein geeignetes Mittel, um einer weiteren Verminderung der Wasserführung entgegenzuwirken.
Nach § 33 WHG ist das Aufstauen eines oberirdischen Gewässers oder das Entnehmen oder das Ableiten von Wasser aus einem oberirdischen Gewässer nur zulässig, wenn die Abflussmenge erhalten bleibt, die für das Gewässer und andere hiermit verbundenen Gewässer erforderlich ist, um den Zielen des § 6 Abs. 1 WHG und der §§ 27-31 WHG entsprechen (Mindestwasserführung).
Die Mindestwasserführung ist bei Aufrechterhaltung der (uneingeschränkten) Entnahmemöglichkeiten nicht mehr gewährleistet. Um einer weiteren Verminderung des Wasserstandes bzw. der Wasserführung und einer Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit entgegen zu wirken ist es erforderlich, das Entnehmen von Wasser aus Oberflächengewässern einzuschränken.
Gemäß § 29 Abs. 2 BbgWG kann eine wasserrechtliche Erlaubnis - auch befristet - widerrufen werden, wenn von der weiteren Benutzung eine Gefährdung der Bewirtschaftungsziele oder eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten ist, die nicht durch nachträgliche Anordnungen verhütet oder ausgeglichen werden kann. Die betroffenen wasserrechtlichen Erlaubnisse sind mit einer entsprechenden Nebenbestimmung versehen, so dass es möglich ist, die wasserrechtlich erlaubten Gewässerbenutzungen mit dieser Allgemeinverfügung einzuschränken.
Durch diese Allgemeinverfügung wird den Anliegern die Wasserentnahme aus Oberflächengewässern mittels Pumpvorrichtung in der Zeit zwischen 8.00 Uhr und 20.00 Uhr untersagt. Die Entnahme bleibt somit bzw. zwischen 20.00 Uhr und 8.00 Uhr gestattet. Die zeitliche Einschränkung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt das geeignete Mittel, um einer weiteren Beeinträchtigung der Gewässerökosysteme entgegenzuwirken.
Die zeitliche Einschränkung des Eigentümer- und Anliegergebrauchs und der wasserrechtlich erlaubten Entnahmen ist hierbei das mildeste Mittel, um eine weitere Verschlechterung der hydrologischen Situation entgegenzuwirken. Sie ist somit auch angemessen.
Zu 2.
Es besteht die Möglichkeit, in begründeten Einzelfällen eine Ausnahme von den Regelungen der Allgemeinverfügung bei der unteren Wasserbehörde zu beantragen. Etwa wenn durch die Einschränkungen dieser Allgemeinverfügung eine unbillige Härte entstehen sollte. Die untere Wasserbehörde prüft dann für den Einzelfall, ob unter Vereinbarkeit mit den Anforderungen der Gewässerbewirtschaftung und dem Schutz der aquatischen Ökosysteme sowie des Wohls der Allgemeinheit eine Ausnahme zulässig wäre.
Zu 3.
Die Allgemeinverfügung ergeht gemäß § 36 Abs. 2 Nr.3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.01.2003 (BGBl.I S.102) in der derzeit gültigen Fassung und gilt bis auf Widerruf.
Zu 4.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vom 19.03.1991 (BGBl.I S.686) in der derzeit gültigen Fassung erforderlich, um zu verhindern, dass durch die Einlegung von Rechtsmitteln Wasserentnahmen mittels Pumpvorrichtungen während der Tageszeit im Rahmen des Anliegergebrauchs fortgesetzt werden und sich dadurch die Niedrigwassersituation weiter verschärft. Dies hätte nachteilige Wirkungen auf den Wasserhaushalt, Natur, Landschaft und die Interessen der Unterlieger zur Folge. Von besonderem Interesse sind hier der Schutz des Ökosystems (Spree) und die Nutzungsansprüche der Unterlieger (Trinkwasserversorgung von Frankfurt/Oder und Berlin), welche dem privaten Interesse von Anliegern und Eigentümern überwiegen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liegt daher im öffentlichen Interesse.
Zu 5.
Gemäß § 43 Satz 1 VwVfG wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, indem er ihm bekannt gegeben wird. Aufgrund der Dringlichkeit der Entscheidung wird auf der Grundlage von § 41 Abs. 4 Satz 3 VwVfG bestimmt, dass die Allgemeinverfügung bereits am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft tritt. Dies ist erforderlich, weil die Einhaltung einer gewöhnlichen Bekanntmachungsfrist von zwei Wo-chen den unmittelbaren und effektiven Schutz der Wasserreserven und Gewässerökosysteme unnötig verzögern würde. Die Anordnung der Wirksamkeit der Allgemeinverfügung am Tag nach der Bekanntgabe ist daher geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.
Hinweise:
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diesen Widerruf kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Oberbürgermeister der Stadt Cottbus/Chóśebuz, Neumarkt 5 in 03046 Cottbus, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift zu erheben. Ein Widerspruch gegen diese Allgemeinverfügung entfaltet aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches kann gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beim Verwaltungsgericht Cottbus, Vom-Stein-Straße 27, 03050 Cottbus beantragt werden.
Cottbus/Chóśebuz, 20.07.2023
Im Auftrag
Marietta Tzschoppe
Geschäftsbereichsleiterin des Geschäftsbereichs Bau, Umwelt und Strukturentwicklung