Laura Koal

Von der Schlosskirche zur Synagoge

Im Jahre 1714 schufen sich die Hugenotten, die als Glaubensflüchtlinge nach Cottbus kamen, mit dem Bau der Schlosskirche eine gemeindliche Heimat. Menschen in Not – französisch-reformierte Christen - fanden ein Zuhause. Im Rückblick kann man den Eindruck gewinnen, dass dieser Umstand wie ein Siegel die Geschichte der Schlosskirche prägte: Not und Verantwortung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Schlosskirche für kurze Zeit die einzige benutzbare Kirche für alle Cottbuser Gemeinden. Der Kirchentag 1970 gab den Anstoß zur Nutzung der Kirche als Ökumenisches Gemeindezentrum durch die Stadtmission: als offenes Haus für die Bevölkerung, Ausstellungskirche mit ökumenischer Ausrichtung, mit „Andachten für Eilige“ und den über 1000 ökumenischen Orgelvespern. Ökumenische Projekte wie der Jugendkreuzweg, der Weltgebetstag und die Friedensdekade waren hier beheimatet. Die Kirche war Probenort des ökumenischen Oratorienchors. Den Heiligen Abend gemeinsam in der Schlosskirche zu begehen, wurde für Einsame und später für Obdachlose ein wichtiges Angebot der Kirchengemeinden.

1984 kam das Nagelkreuz aus Coventry in die Schlosskirche. In vielen Orgelvespern wurde das Versöhnungsgebet von Coventry gebetet. Die Nagelkreuzgemeinschaft hielt den Versöhnungsgedanken und die Friedenssehnsucht wach.

Seit Herbst 1986 wurden in der Schlosskirche Umweltseminare veranstaltet, aus denen die Umweltgruppe Cottbus (UGC) hervorging. 1988 fand das Treffen aller Friedens-, Umwelt- und Gerechtigkeitsgruppen statt und die Schlosskirche war ein zentraler Ort dabei. Seitdem haben innerhalb der jährlichen Friedensdekaden immer wieder Aktionen stattgefunden, die Gedanken aus der Schlosskirche auf die „Sprem“ hinaustrugen. Ab Mai 1989 fanden Veranstaltungen wegen der Wahlfälschung und zur Auseinandersetzung mit dem DDR-Staat statt.

Nach der Wende beschloss der Vorstand der Stadtmission unbürokratisch, die Türen der Kirche für Obdachlose und Nichtsesshafte zu öffnen. Täglich gab es von Montag bis Freitag für einige Stunden am Tag Wärme, Essen und Gespräche. Christen, die die Not sahen, sorgten mit ihrem ehrenamtlichen Einsatz dafür, dass diese Öffnung der Kirche in den Wintermonaten auf die Wochenenden ausgedehnt werden konnte.

Auch nach der Sanierung der Kirche im Jahr 2003 wurde die Arbeit für Obdachlose in der Kirche fortgesetzt. Der Wechsel zum Straßencafé in der Kolpingstraße (heute in der Wilhelm-Külz-Str. 10a) erfolgte später auf Grund von konzeptionellen Erwägungen des Diakonischen Werkes. Mitte der 90er Jahre suchten viele Menschen nach neuen pädagogisch tragfähigen Konzepten nach dem Ende der DDR. Auch in dieser Not bot die Schlosskirche einen Ort neuer Denkweisen und Handlungsmöglichkeiten. Zu den monatlich stattfindenden pädagogischen Werkstätten kamen Eltern und Großeltern, aber auch Katechetinnen und Schuldirektoren.

In den letzten Jahren gelang es dem Kuratorium der Schlosskirche immer weniger, die Kirche regelmäßig mit Leben zu erfüllen. Die Kirchengemeinden hatten sich inzwischen mit dem Ausbau ihrer Räume viele eigene Möglichkeiten geschaffen. Für die Aufgaben der Kirchengemeinden und der Diakonie wurde der Kirchenraum nicht mehr unbedingt benötigt, um die Schlosskirche wurde es immer stiller.

Das nach der Sanierung gegründete Kuratorium hat sich bemüht, für die Schlosskirche ein eigenes kirchliches Profil zu finden. Von der Etablierung eigener Veranstaltungsreihen bis hin zur Umwandlung in ein kirchliches, aber nicht mehr gottesdienstliches Gebäude mit Seelsorge- Café und Eine-Welt-Laden waren viele Ideen im Gespräch. Mitten hinein in diese Überlegungen kam die Mitteilung, die Jüdische Gemeinde Cottbus wünsche sich den Neubau einer Synagoge in Cottbus.

Die Not, dass es seit 1938 in Cottbus keine Synagoge mehr gibt, wurde von Cottbusern verursacht, die den schönen und zentral gelegenen Sakralbau an der heutigen Karl-Liebknecht-Str. 132 in Brand gesteckt hatten. Mit der Cottbuser Synagoge würde auch das Land Brandenburg wie alle Bundesländer vor ihm eine erste Synagoge seit 1938 erhalten.

Seit der erneuten Gründung einer Jüdischen Gemeinde in Cottbus im Jahr 1998 gab es solche Kontakte. Mit dem Ansinnen des Kuratoriums, die Schlosskirche einer wieder regelmäßigen Nutzung zuzuführen, und der gleichzeitigen Suche der Jüdischen Gemeinde Cottbus nach einer möglichen Gottesdienststätte in der Stadt, kamen zwei Anliegen zusammen, die nun eine Lösung gefunden haben. Am 9. November 2015 wurde die Synagoge der Jüdischen Gemeinde übergeben. Und wieder wird die ehemalige Schlosskirche ein Ort für Menschen sein, die ihre Heimat verlassen haben und einen Raum für ihr religiöses Leben suchen. Sie bleibt als Synagoge ein Haus der Anbetung Gottes!

Wichtiger Hinweis
Flyer zum Download:
Von der Schlosskirche zur Synagoge ‧ PDF ‧ 392.99 KByte ‧ 14.07.2014
Anschrift
Schlosskirche
Spremberger Straße
03046 Cottbus