Grußwort der Schirmfrau der 28. Brandenburgischen Frauenwoche, Christina Giesecke
Liebe Cottbuserinnen und Cottbuser, liebe Gäste der Stadt Cottbus/Chóśebuz,
als engagierte Christin und 1. Stellvertreterin des Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung Cottbus habe ich sehr gern in meiner kommunalpolitischen Tätigkeit die Schirmherrschaft über die Brandenburgische Frauenwoche 2018 in unserer Stadt übernommen. Für mich gehört die Frauenwoche zu den positiven und wichtigsten frauenpolitischen Höhepunkten des Jahres, in der sich nicht nur viele Menschen begegnen, sondern wo miteinander kommuniziert, aufeinander gehört und man sich füreinander und für andere engagiert.
Die 28. Frauenwoche findet vom 2. bis 11. März statt und steht unter dem landesweiten Motto „Selber Schuld“. Thematisch greift sie immer noch vorhandene strukturelle Diskriminierungen von Frauen und deren Erfahrungen sowie auch Erfolge der Frauenbewegung auf. So wird Frauen und Mädchen oftmals vorgeworfen, dass sie selbst schuld sind an ihren Benachteiligungen. Sie hören Sätze wie: „Frauen können einfach nicht so gut verhandeln.“ (Lohnungleichheit), „Warum musste sie auch einen so kurzen Rock tragen?“ (Gewalt), „Frauen müssen ja nicht Altenpflegerin, Erzieherin, Friseurin werden, sie könnten auch einen Beruf mit besseren Gehältern ergreifen.“ (schlecht entlohnte Arbeit), „Wäre sie wegen der Kinder nicht zu Hause geblieben oder in Teilzeit gegangen.“ (Altersarmut), „Frauen entscheiden sich viel zu oft für die Familie und nicht für die Karriere.“ (Führungspositionen) oder „Frauen interessieren sich nicht so für Politik.“ (Parität in der Politik)
Das Motto soll Frauen und Mädchen aufrufen, sich gegen diese individualisierten Schuldzuwei-sungen zu wenden. Vielmehr sind es strukturelle Diskriminierungen, die z. B. Altersarmut begünstigen, Frauen von der Übernahme einer Führungsposition abhalten, sie von politischen Mandaten fernhalten oder traditionelle Geschlechterrollen aufrechterhalten. Woran Frauen im positiven Sinne wirklich selbst schuld sind, das sind die Rechte, die sie gemeinsam erstritten haben: Vor 100 Jahren wurde das Frauenwahlrecht in Deutschland endlich Realität. Auch sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung sind eine wichtige Errungenschaft. Frauen erkämpften, dass Vergewaltigung in der Ehe (§ 177 StGB) seit 1997 in Deutschland unter Strafe gestellt ist.
Was mit strukturellen Benachteiligungen gemeint ist, lässt sich am Beispiel der Lebensphase mit Kindern gut erklären. Die Handlungsmöglichkeiten von Eltern werden in Deutschland nach wie vor durch eine unzureichende Betreuungsinfrastruktur, starre Arbeitszeitmodelle und staatliche Anreize geprägt und eingeschränkt. Vor allem Mütter landen beim Wiedereinstieg in das Erwerbsleben nach einer Geburt häufig in Minijobs, von denen der Aufstieg in eine sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit häufig nicht gelingt, oder in der Teilzeitphase, die, wenn sie nicht bei der vertraglichen Änderung aufpassen, für immer Teilzeit auf diesem Arbeitsplatz bedeutet. Viele Mütter finden nach der Geburt eines Kindes kaum Wege zurück in eine gleichberechtigte Stellung in der Erwerbsarbeit, auch wenn sie dies wünschen. Weitere beschränkende Rahmenbedingungen in der Erwerbsarbeit betreffen die Realisierung von Arbeitszeitwünschen. Planbare und flexible Arbeitszeiten, wie sie sich Beschäftigte mit Sorgepflichten oft wünschen, stehen häufig in Konflikt mit Praxis und Organisation in den Betrieben und werden auf dem Arbeitsmarkt nicht entsprechend der Nachfrage angeboten. An vielen Stellen zeigt sich, Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft sind in Deutschland so organisiert, dass die eigenständige Existenzsicherung auf einem Vollzeitarbeitsverhältnis aufbaut. Damit sind nicht alle Beschäftigten in gleicher Weise in der Lage, Erwerbsarbeit und Sorgearbeit gemäß ihren Lebensvorstellungen zu gestalten. Diese Strukturen erschweren es Frauen (wie Männern), in bestimmten Phasen ihres Lebens im jeweils gewollten Maße sowohl in der Erwerbsarbeit aktiv zu sein als auch für andere und sich selbst zu sorgen. Altersarmut ist für viele Frauen damit vorprogrammiert. Bereits heute zeigt sich, dass alleinlebende Frauen im Rentenalter häufiger mit weniger als 900 Euro persönlichen monatlichen Nettoeinkommens zurechtkommen müssen als Männer diesen Alters. Die durchschnittliche Altersrente einer Brandenburgerin betrug z. B. im Dezember 2014 830 Euro und die eines Brandenburgers 1.111 Euro.
Das Programm der diesjährigen Frauenwoche in Cottbus ist auf jeden Fall wieder ganz nah dran an den aktuellen gleichstellungspolitischen Problemlagen in Brandenburg und gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die es in der Zukunft zu bewältigen gilt. Für die Organisation der Veranstaltungen haben sich 17 verschiedene kommunale Akteurinnen zusammengefunden, um Ihnen, liebe Cottbuserinnen und Cottbusern und Gäste unserer Stadt, ein abwechslungsreiches Programm mit insgesamt 19 Veranstaltungen zu bieten. Schauen Sie am besten gleich einmal dieses Heftchen genauer an.
Allen Organisatorinnen, Helferinnen, der Gleichstellungsbeauftragten unserer Stadt und vor allem den Sponsorinnen und Sponsoren, die mit ihrer finanziellen Unterstützung sehr zum Ge-lingen der Frauenwoche beigetragen haben, ein herzliches Dankeschön.
Ich wünsche allen Beteiligten interessante Gespräche und Begegnungen und freue mich, wenn Sie die Veranstaltungen zahlreich besuchen. Gern gebe ich auch meine positiven Erfahrungen aus der Kommunalpolitik weiter.
Ihre
Christina Giesecke