Die Cottbuser Kriegsgefangenenlager zwischen 1914 und 1924
Bis zum 13. März 2022 zeigt das Stadtmuseum Cottbus die neue Sonderausstellung »Ankunft auf Zeit«. Sie blickt auf ein Kapitel der Cottbuser Stadtgeschichte, welche fast gänzlich aus der Erinnerung der Stadt verschwunden ist – die Cottbuser Kriegsgefangenenlager während des Ersten Weltkrieges. Anhand von über 200 Fotografien sowie zahlreichen Zitaten aus den Beständen der Städtischen Sammlungenkönnen sich die Besucherinnen und Besucher ein Bild vom Lagerleben, den Verknüpfungen mit der Stadt und der weiteren Entwicklung der Lager nach dem Ende des Krieges machen.
Wenige Wochen nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges treffen am 4. September 1914 unerwartet 5.000 russische Kriegsgefangene in Cottbus ein. Binnen einer Woche wächst die Zahl auf 10.000 an. Die überrascht scheinende Verwaltung bringt die Gefangenen auf der alten Rennbahnan der heutigen Sielower Landstraße unter. Die Männer finden eineinfaches Feld vor und errichten eine Zeltlandschaft aus Decken, Zeltbahnen und Dingen, die die Natur bietet. Viele schlafen unter freiem Himmel. Hygienische Einrichtungen, wie zum Beispiel Toiletten, gibt es nicht. Durch fehlende Waschmöglichkeiten usw. kommt es im Winter 1914 / 1915 zum Ausbruch des Fleckfiebers. An ihm versterben über 500 russische Soldaten in Cottbus. Der Lagerfriedhof, heute ein Bolzplatz in der Straße Siedlung Nord, füllt sich von Tag zu Tag.
Während das Sielower Lager in denersten Monaten befestigt wird, entsteht in Merzdorf ein zweites Lager. Das im heutigen Gewerbegebiet liegende Gelände entspricht den Quellen nach einem Vorzeigelager, insbesondere in Fragen der Hygiene. Doch die Berichte des Roten Kreuzes zeigen, dass das Lager binnen kürzester Zeit verfällt. Auch das Merzdorfer Lager ist für ca.10.000 Kriegsgefangene ausgelegt.
Dementsprechend leben über die Dauer des Krieges ungefähr 20.000 Kriegsgefangene in Cottbus, einer Stadt, die selbst ca. 45.000 Einwohner hat. Die Gefangenen kommen dabei aus fast allen Teilen der Welt.Die nächsten Ausstellungsräume widmen sich den »hellen & dunklen«Seiten des Lageralltages. Grundlage sind auch hier die fotografischen Aufnahmen des Lagerfotografen Paul Tharan. Er dokumentierte dieTheater des Lagers, Sportveranstaltungen und Momente des Glaubens und der Religion. Seine Bilder zeugen aber auch von der Sehnsucht nach der eigenen Heimat, von Hunger, Furcht und Schrecken. Getragen werden diese Bilder von den Aussagen aus zahlreichen Quellen, die imLauf des vergangenen Jahres recherchiert wurden.
In den letzten zwei Räumen widmet sich die Ausstellung der Verzahnung der Stadt und des Umlandes mit den Kriegsgefangenen. Dabei traten die Kriegsgefangenen insbesondere als Arbeitskräfte außerhalb der Lager in Erscheinung und sorgten so für einen gewissen Austausch mit den hier lebenden Menschen. Ein besonderes Augenmerk richtet sich jedoch auf die Entwicklung nach dem Ende des Krieges, denn die beiden Lager bleiben vorerst bestehen. Sielow wird bis 1923 als Internierungslager fürbleiben vorerst bestehen. Sielow wird bis 1923 als Internierungslager fürbleiben vorerst bestehen. Sielow wird bis 1923 als Internierungslager für verschiedene Personengruppen genutzt, welche zum Teil unrechtmäßig festgehalten werden. Erst im Dezember 1923 gilt das Sielower Lager alsaufgelöst.
Neben der im Stadtmuseum Cottbus gezeigten Sonderausstellung besteht auch eine digitale Sonderausstellung auf der Internetseite der Deutschen Digitalen Bibliothek. Gemeinsam stellen die beiden Ausstellungen eine Präsentation des aktuellen Forschungsstandes dar. Dabei zeigt sich jedoch auch, dass viele Fragen ungeklärt sind und der Bedarf an regionaler und überregionaler Forschung recht groß ist. Allein die Auswertung der über 1.200 Fotografien aus dem Lager, ein bundesweit vermutlich einmaliger Bestand, steht erst am Anfang.
Zur digitalen Sonderausstellung:
https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/lager-cottbus/
Bei Fragen stehen wir Ihnen sehr gerne zur Verfügung.
Robert Büschel