Mit einem Bürgerforum im Stadthaus am Altmarkt wurde am 29. Oktober die zweite Runde der Akteurs- und Bürgerbeteiligung zur Erarbeitung des kommunalen Energiekonzeptes für die Stadt Cottbus abgeschlossen. Wenige Tage zuvor war in drei Arbeitsgruppen über Szenarien zur energetischen Stadtentwicklung bis zum Jahre 2030 für die Handlungsfelder Gebäude und Städtebau, Technische Infrastruktur sowie Mobilität diskutiert worden. Diskussionsgrundlage waren sowohl die aktuelle Energie- und CO²-Bilanz der Stadt Cottbus als auch die Anregungen aus den Arbeitsgruppen und Bürgerforen. Interessierte können dazu im Internet unter www.cottbus.de/buerger/rathaus/gb_II/umwelt_natur/energiekonzept/index.html nachlesen.
Rund 500.000 Tonnen CO² pro Jahr, das ist die gegenwärtige gesamtstädtische Bilanz von Cottbus. Das sind im Durchschnitt etwa fünf Tonnen CO² pro Einwohner und Jahr. Davon entfallen 47% auf die Wärmeerzeugung, 28% auf die Mobilität und 25% auf den Stromsektor. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, besteht also dringender Handlungsbedarf.
Die Ausgangslage in Cottbus zur Bewältigung der Anforderungen der „Energiewende" und zur Klimaanpassung ist im Vergleich zu anderen Städten gut. So liegt die CO²-Emission mit 396 g CO² pro kWh um 20% unter dem Referenzwert aus dem Strom-Mix im Bundesdurchschnitt (494 g) - dank des hohen Anteils erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung von 35,7%. Cottbus ist mit einem Überschuss von ca. 5,9% der Erzeugung gegenüber dem Verbrauch im Stadtgebiet sogar Stromexporteur. Auch beim Stromanteil aus Kraft-Wärme-Kopplung liegt Cottbus mit 64,3% deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 15,8%.
Demgegenüber liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Wärmeverbrauch bislang erst bei 3%. Cottbus verfügt jedoch mit einem modernisierten Fernwärmenetz über ein effizientes System zur Wärmeversorgung von über 32.000 Wohnungen. An Fernwärme angeschlossene Haushalte emittieren im Durchschnitt 28% weniger CO² als mit Erdgas beheizte Wohnungen und 62% weniger als Einzelfeuerungen mit fossilen Brennstoffen. Der Nutzung eines modernen Fernwärmenetzes kommt auch die von allen Teilnehmern unterstützte Orientierung das weiteren Stadtumbaus hin zu einer kompakten Stadt mit dem Schwerpunkt der Nachverdichtung, Wiederbebauung von Brachflächen und Baulücken im Bereich vorhandener Infrastruktureinrichtungen und -netze entgegen. Demgegenüber wird die Ausweisung neuen Baulandes außerhalb der zentralen Stadtgebiete als ökologisch und wirtschaftlich kontraproduktiv angesehen.
In den Arbeitsgruppen bestand Einvernehmen, dass der erreichte Stand nicht zum Ausruhen verleiten sollte, da längst noch nicht alle Energieeinspar- und Klimaschutzzielvorgaben erreicht und viele Fragen offen sind. So stellt sich auch in Cottbus die Integrationsfähigkeit der „flüchtigen" erneuerbaren Energien in die bestehende Netzinfrastruktur als zunehmendes Problem heraus. Der Ausbau leistungsfähiger Übertragungsnetze und ausreichender Speicherkapazitäten für wind- und sonnenreiche Tage hinkt dem ungesteuerten Ausbau, insbesondere der Fotovoltaik, hinterher. Die Suche nach konkreten Lösungsvorschlägen für Cottbus muss daher ein Schwerpunkt der weiteren Bearbeitung des Energiekonzeptes sein. Hierfür können auch die Forschungsaktivitäten an der BTU Cottbus in der Wasserstofftechnologie oder zur Erforschung der Eignung von Elektrofahrzeugen zur Stromzwischenspeicherung hilfreich sein.
Von Seiten der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wohnungswirtschaft wurde in den Beratungen deutlich gemacht, dass man bei allen Anstrengungen zur Energieeinsparung und für den Klimaschutz immer die Bezahlbarkeit für den Nutzer im Auge behalten muss. Die Umlagefähigkeit von energetischen Modernisierungsinvestitionen auf die Mieten hat Grenzen.
Sicher wird vieles von dem, was technisch möglich erscheint, davon abhängen, wie es finanzierbar gemacht werden kann. Stichworte hierfür sind die eingeforderte Planungssicherheit für Investoren durch eine ausgewogene und langfristige Förderpolitik ohne Bevorzugung einzelner erneuerbarer Energien wie bisher. Wichtig ist dabei auch der Vergleich der spezifischen CO²-Vermeidungskosten verschiedener Lösungsansätze oder Investitionen.
Beim Handlungsfeld Mobilität gab es ein klares Votum zur Stärkung des ÖPNV, dessen Anteil am sogenannten Modal Split von gegenwärtig 7,7% auf 10% ausgebaut werden soll. Selbst dieser scheinbar kleine Schritt vorwärts bedeutet eine große Kraftanstrengung, die insbesondere von der Straßenbahn als dem wichtigsten Verkehrsträger zu leisten sein wird. Der Anteil der Radfahrer und Fußgänger soll ebenfalls erhöht werden. Demgegenüber muss der Pkw-Verkehr als größter CO²-Emittent (62% an der Mobilitäts-Gesamtemission von ca. 140.000 Tonnen CO² pro Jahr) reduziert werden. Der Auftrag aus der Bürgerbeteiligung lautet hier: Verkehrsvermeidung durch intelligente Siedlungspolitik und Stadtplanung, Reduzierung von Stellplätzen und Fahrspuren wie in der Bahnhofstraße und Erhöhung der Parkgebühren etc., um die ÖPNV-Nutzer in Zukunft nicht schlechter als die PKW-Fahrer zu stellen.
Ganz wird sich der motorisierte Individualverkehr auch in Zukunft nicht vermeiden lassen und je nach Szenario auch 2030 noch einen Anteil von 25 bis 35% am Verkehrsaufkommen haben, gegenüber den derzeitigen 39,9%. Aber diese Mobilitätsart wird sich verändern und mit anderen Elementen vernetzen: Ausbau der individuellen Elektromobilität, Car-Sharing-Angebote anstelle des Zweitwagens in den peripheren Stadtbereichen sowie an Mobilitätsknotenpunkten wie dem Bahnhof, um nur einige der Vorschläge zu nennen. Klar wurde in der Diskussion aber auch, dass die Rahmenbedingungen für die umweltfreundlichen Mobilitätsarten verbessert werden müssen, um den Umstieg vom PKW auf den ÖPNV oder das Fahrrad attraktiver zu machen. Das reicht vom weiteren Ausbau und dem Lückenschluss von Velo-Routen über Fahrrad-Mitnahmemöglichkeiten im ÖPNV bis zu überdachten Fahrradabstellplätzen. Aber auch Jobtickets der Arbeitgeber, Kombi-Tickets für ÖPNV, Bahn und Car-Sharing wurden (wieder) ins Gespräch gebracht.
Es gilt nunmehr, die vielen miteinander verknüpften Fragestellungen von Energieversorgung, Stadtentwicklung, Wohnen und Mobilität mit den Akteuren in der Stadt anhand von Szenarien weiter zu diskutieren, ein energiepolitisches Leitbild daraus zu entwickeln und die zur Erreichung der Klimaschutzziele geeigneten Maßnahmen herauszuarbeiten. Es hat sich gezeigt, dass Cottbus viele Potenziale für eine umweltfreundlichere und effizientere energetische Zukunft hat. Um diese zu erschließen, werden auch weiterhin viele kreative Ideen und noch mehr Mitmacher gebraucht.