Ein wieder erstarktes serbisches Kino zeigte sich Freitagabend bei der Preisverleihung des 20. Filmfestivals Cottbus. Der mit 20.000 Euro dotierte Hauptpreis für den besten Film ging an WHITE WHITE WORLD (Serbien, Deutschland, Schweden 2010). Regisseur Oleg Novković und Produzent Uliks Fehmu wurden mit der LUBINA belohnt für ihre „besonders mutige und einmalige filmische Sprache, die das tägliche Leid der Außenseiter durch eine kraftvolle ästhetische Erfahrung nachvollziehbar macht“, so die Jury-Begründung. Der zweite serbische Wettbewerbsbeitrag TILVA ROŠ (2009), das erfrischende Porträt einer jugendlichen Skateboard-Gang in der serbischen Minenstadt Bor, bekam den IFG Inspiration Award.
Mit insgesamt drei Preisen war der russische Beitrag EIN ANDERER HIMMEL (Dmitry Mamulija | Russland 2010) der Jury-Favorit des Abends. Das intensive Drama von einem Schafhirten und seinem Sohn, das ohne Dialog auskommt, erhielt eine lobende Erwähnung der Internationalen Festivaljury, den Preis für den besten Debütfilm sowie den FIPRESCI-Preis. Auch der ungarische Beitrag ADRIENN PÁL (Agnes Kocsis | Ungarn, Niederlande, Österreich, Frankreich 2010) überzeugte die Juroren und konnte sich über den Spezialpreis für die beste Regie sowie den Preis der Ökumenischen Jury freuen. Die erstmals auf der Leinwand agierende Eva Gabor, die der übergewichtigen Hauptfigur Piroska eine Intensität verleiht, der man sich nicht entziehen kann, erhielt den Preis als herausragende Darstellerin. Ihr estnischer Kollege Taavi Ealma bekam den Preis als herausragender Darsteller für sein überzeugendes Spiel in DIE VERSUCHUNG DES HL. TONY (Veiko Öunpuu | Estland 2009), eine Höllenfahrt in die Abgründe der menschlichen Seele.
Beim Kurzfilmwettbewerb überzeugte die russische Weltpremiere MEER DER WÜNSCHE von Shota Gamisonia. Die im Stil von Tschechow, Beckett, Fellini und Tati, so die Jury, erzählte Sehnsucht zweier Freunde nach dem Meer erhielt den Hauptpreis. Der Spezialpreis ging an die berührende Familiengeschichte MUSIK IM BLUT (Rumänien, Frankreich 2010) von Alexandru Mavrodineanu.
Den in diesem Jahr zum ersten Mal verliehenen „Preis für den besten Jugendfilm“ sicherte sich die polnische Oscar-Hoffnung ALLES WAS ICH LIEBE (Polen 2010). Regisseur Jacek Borcuch erzählt von einer Punkband Anfang der 80er Jahre, vermischt dabei Punkrock mit erster Liebe zu Zeiten der Solidarnosc kurz vor dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes. Der in diesem Jahr in Partnerschaft mit EY2010, dem Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung, vergebene Special Award ging an den polnischen Beitrag HANOI WARSCHAU (Katarzyna Klimkiewicz | Polen 2009).
Den Publikumspreis erhielt in diesem Jahr die kirgisische Koproduktion über Svet Ake, einen Elektriker mit großem Herz und vielen Träumen, in DER DIEB DES LICHTS (Kirgistan, Deutschland, Frankreich, Niederlande 2010). Den DIALOG-Preis bekam das ungewöhnliche Roadmovie VESPA (Ungarn 2010) von Diana Groó.
Die DEFA-Stiftung vergab ihren Förderpreis an die israelische Regisseurin Yael Reuveney und ihren Dokumentarfilm ERZÄHLUNGEN VOM VERLORENEN (Israel, Deutschland 2008). Die Absolventin der Sam Spiegel Film & TV School begibt sich auf Spurensuche in der eigenen Familie und nach einem Onkel, der als Holocaustüberlebender in Deutschland blieb. Der Film erhielt auch den Cottbus Discovery Award, der anlässlich des Ökumenischen Empfangs am Donnerstag vergeben wurde.
Während der 8.Cottbuser Filmschau am Montagabend der vergangenen Woche wurden die Arbeiten von Amateurfilmern aus Berlin und Brandenburg ausgezeichnet. Der Cottbuser Film- und Medienpreis ging zu gleichen Teilen an Enrico Adlers PAMPELMUSE IST NICHT GLEICH GRAPEFRUIT über ein mobiles Toilettenhäuschen mitten in der Wildnis sowie Anja Stelets beeindruckendes Porträt des jungen Mädchens NATASCHA. Die Geschichte über eine Zufallsbegegnung vor dem Supermarkt beeindruckte die dreiköpfige Jury und die Zuschauer so sehr, dass NUR EIN KURZER AUGENBLICK sowohl den Preis für die beste technische Umsetzung als auch den Publikumspreis erhielt. Florian Herolds halb animierter, halb realer Film EIN VERGNÜGUNGSPARK FÜR FRED UND WOMBAT erhielt schließlich den Förderpreis für einen talentierten Filmemacher.
In der letzten Woche sahen mehr als 400 Fachakkreditierte über 140 Filme aus mehr als 40 Nationen. Trotz erschwerter Bedingungen mit zwei Kinosälen außerhalb der Stadt, konnte der im Vorjahr aufgestellte Besucherrekord von 18.500 erreicht werden. Ausverkaufte Säle sorgten für Zusatzvorstellungen des russischen Oscar-Kandidaten KRAI (Aleksey Uchitel | Russland 2009) und des Bollywoodfilms DASVIDANIYA (Shashant Shah | Indien 2008).
Ministerpräsident Matthias Platzeck, langjähriger Schirmherr des Filmfestivals Cottbus, wurde die Ehren-Lubina für seine persönlichen Verdienste bei der Entwicklung des Festivals am Eröffnungsabend verliehen. Die diesjährige Jubiläumsausgabe sieht Ministerpräsident Platzeck als besten Beweis, „…dass es Menschen und Kulturen über Grenzen hinweg verbindet. Längst ist es ein ‚Festival der Kulturen’ und der persönlichen Begegnung geworden.“
Das 20. Filmfestival Cottbus endete am gestrigen Sonntag, 7. November. Wie in jedem Jahr wird es ein NACHSPIEL ausgewählter Festivalbeiträge in Berlin im KINO KROKODIL sowie in Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Zentrum in Berlin im Kino Passage sowie im THALIA ARTHOUSE KINO in Potsdam geben.