Städte begrüßen Zusagen des Finanzministers zu Gewerbesteuer und Sozialausgaben – Appell von 170 Kommunalpolitikern
Die anhaltende schwerste Finanzkrise der Städte seit Bestehen der Bundesrepublik ruft zahlreiche Stadtoberhäupter aus dem ganzen Land auf den Plan. In einer Mitgliederkonferenz des Deutschen Städtetages verabschiedeten heute rund 170 Oberbürgermeisterinnen, Oberbürgermeister, Bürgermeister und Stadträte eine „Berliner Resolution der deutschen Städte zur kommunalen Finanzlage“. Die Städte begrüßen die Zusagen des Bundesfinanzministers zur Gewerbesteuer und zu einer Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben in einer Größenordnung von vier Milliarden Euro. Ablehnend stehen sie nach eingehender Prüfung einem Zuschlagsrecht der Kommunen bei der Einkommensteuer gegenüber.
Zum Stand der Beratungen mit dem Bund über eine Gemeindefinanzreform sagte der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, im Anschluss an die Konferenz: „In ihrer dramatischen Finanzlage begrüßen die Städte die Zusage des Bundesfinanzministers, dass die Gewerbesteuer bis auf weiteres weder abgeschafft noch in ihrer Bemessungsgrundlage geschwächt werden soll. Wir vertrauen darauf, dass es bei dieser Erklärung auch unter dem Druck anderslautender Forderungen bleibt. Damit wird auch die Zusage der Bundeskanzlerin vor dem Deutschen Städtetag aus dem Jahr 2009 eingelöst.“
In Richtung Koalitionsausschuss, der heute Abend tagt und sich auch mit den Gemeindefinanzen befasst, ergänzte Ude, die Städte benötigten die Einnahmen aus ihrer wichtigsten eigenen Steuer, um den Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft vor Ort gute Dienstleistungen und eine gute Infrastruktur anbieten zu können: „Wir appellieren deshalb an die gesamte Koalition, dem Bundesfinanzminister zu folgen und die Gewerbesteuer wie auch die Hinzurechnungen beizubehalten. Denn eine akzeptable Alternative ist für die Städte nicht erkennbar. Das sehen die Städte in den alten und neuen Ländern gleichermaßen so wie gewerbesteuerstarke und gewerbesteuerschwache Städte.“ Über einen längeren Zeitraum betrachtet, habe sich das Aufkommen der Gewerbesteuer sehr dynamisch entwickelt, zwischen 1995 und 2008 von 21,6 auf 41 Milliarden Euro fast verdoppelt. 2010 werden 34,6 Milliarden Euro erwartet.
Städte müssten handlungsfähig sein. Nachhaltige Entlastungen der Kommunen seien deshalb überfällig, sagte Ude zum Thema Sozialausgaben. „Die Vitalität der kommunalen Selbstverwaltung und die Handlungsfähigkeit der Städte sind dramatisch gefährdet. Einer immer größeren Zahl von Städten gelingt es trotz intensiver Konsolidierung nicht, ihre Haushalte auszugleichen. Viele Kommunen stehen vor allem wegen des immer schnelleren Wachstums der Sozialausgaben vor dem finanziellen Zusammenbruch. Ein wichtiger Schritt ist daher die Absichtserklärung, die Kommunen bei den Sozialausgaben in der Größenordnung von vier Milliarden Euro zu entlasten, indem der Bund die Grundsicherung im Alter vollständig übernimmt.“ Damit würde der Bund für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sowohl die heutigen Kosten als auch das Risiko wachsender Ausgaben tragen. „Einem kommunalen Zuschlag bei der Einkommensteuer stehen die Städte nach eingehender Prüfung ablehnend gegenüber. Dadurch würde ein Steuergefälle entstehen, das die Stadt-Umland-Probleme und die Probleme strukturschwacher Städte verschärft“, betonte Ude. Für ein Zuschlagssystem müssten die geltenden Obergrenzen bei der Verteilung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer auf die Kommunen entfallen. Denn nur dann könne die Steuer der Bürger in den Haushalt ihrer jeweiligen Kommune gelangen. Das bedeute hohe Steuerverluste für finanzschwache Kommunen, die sie versuchen müssten durch hohe Zuschläge auszugleichen. Einkommensteuerstarke Kommunen dagegen hätten automatisch höhere Einnahmen, ohne einen Zuschlag verlangen zu müssen.
Zentrale Forderungen der Städte
In ihrer Resolution erheben die deutschen Städte Forderungen zur laufenden Arbeit der Gemeindefinanzkommission, aber auch darüber hinaus. Vor dem Hintergrund des ersten zweistelligen Milliardendefizits der Kommunen im Jahr 2010 – der Deutsche Städtetag rechnet jetzt mit 11 bis 12 Milliarden Euro –, einer alarmierenden Verschuldung durch Kassenkredite in der Rekordhöhe von 40 Milliarden Euro und ungebremst steigenden Sozialausgaben von bis zu 42 Milliarden Euro lauten zentrale Forderungen der Städte:
- Die Gewerbesteuer sollte gestärkt werden, durch eine Einbeziehung der Selbständigen und einen Ausbau der Hinzurechnungen.
- Die angekündigte Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben muss rasch verwirklicht werden.
- Neue Belastungen der Kommunen durch Bund und Länder darf es ohne finanziellen Ausgleich nicht mehr geben.
- Die kommunalen Spitzenverbände müssen verlässlich an der Gesetzgebung und an der Schätzung der Kostenfolgen von Gesetzen beteiligt werden. Eine belastbare Kostenschätzung kann neue Finanzprobleme der Kommunen vermeiden helfen.
Starkes Wachstum der Sozialausgaben – Keine Gesetze ohne Kostenausgleich
Zu den erdrückend hohen Sozialausgaben, die sich in den vergangenen 20 Jahren fast verdoppelt haben, sagte der stellvertretende Präsident des Deutschen Städtetages, der Regensburger Oberbürgermeister Hans Schaidinger: „Die Städte schöpfen angesichts ihrer großen Finanznot nach den erfreulichen Zusagen des Bundesfinanzministers Hoffnung. Die Entlastung bei der Grundsicherung in einer Größenordnung von vier Milliarden Euro ist ein guter Einstieg, den wir uneingeschränkt begrüßen. Dennoch machen wir schon heute darauf aufmerksam, dass diese Entlastung durch das Wachstum der Sozialausgaben bereits in wenigen Jahren wieder aufgezehrt sein wird. Die Städte müssen deshalb an ihrer Forderung festhalten, die Beteiligung des Bundes an den Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose an der tatsächlichen Ausgabenentwicklung zu orientieren.“
Schaidinger sprach ein Grundproblem der Kommunalfinanzen an: „Die kommunalen Sozialausgaben konnten nur deshalb so übermäßig anwachsen, weil Bund und Länder den Kommunen immer wieder kostenträchtige Aufgaben aufgebürdet und die Zeche dafür nicht selbst bezahlt haben. Damit muss endlich Schluss sein!“ Die Städte kritisierten, dass der Bund den Kommunen zeitgleich zu den Beratungen in der Gemeindefinanzkommission in diesem Jahr neue Belastungen und Mittelkürzungen in dreistelliger Millionenhöhe auferlegt habe, vor allem durch die Abschaffung des Wohngeldes für Kinder von Langzeitarbeitslosen, veränderte Hinzuverdienstgrenzen im Sozialgesetzbuch II (SGB II oder Hartz IV) und die Kürzung der Städtebauförderung. „Diese Maßnahmen müssen korrigiert bzw. gegenüber den Kommunen finanziell ausgeglichen werden“, so der stellvertretende Städtetagspräsident.
Daten zur aktuellen Finanzlage
Die aktuelle Finanzlage der Städte skizzierte der Deutsche Städtetag auf der Basis der Steuerschätzung von Anfang November so: Trotz inzwischen wieder steigender Steuereinnahmen bleibe die Finanzlage der Kommunen 2010 dramatisch. Die Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden werden 2010 voraussichtlich leicht um 700 Millionen Euro gegenüber 2009 steigen. Erstmals seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise wird die Gewerbesteuer wieder zulegen, um brutto 2,1 Milliarden Euro.
Schaidinger: „Wir freuen uns, dass sich vor allem die Gewerbesteuer wieder zu erholen beginnt. Dadurch wird sich das kommunale Defizit in diesem Jahr nicht mehr verdoppeln. Aber Grund zur Entwarnung gibt es nicht, denn wir werden erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein zweistelliges Milliardendefizit verzeichnen, in einer Höhe von etwa 11 bis 12 Milliarden Euro.“ 2009 hatte das Defizit der Kommunen – der Saldo zwischen allen Ausgaben und Einnahmen – 7,2 Milliarden Euro betragen. Gründe für den Anstieg des Defizits in 2010 sind: die weiter steigenden Ausgaben, vor allem um fast zwei Milliarden Euro im Sozialbereich sowie die Tatsache, dass trotz der guten Konjunktur die gesamten kommunalen Steuereinnahmen 2010 immer noch voraussichtlich rund 10 Prozent niedriger liegen werden als 2008.
Städte als Partner in zentralen Zukunftsaufgaben anerkennen
Grundsätzlich machen die deutschen Städte in ihrer Berliner Resolution deutlich, Bund und Länder müssten die Kommunen als Partner anerkennen, damit die drei politischen Ebenen die gesellschaftlichen Zukunftsaufgaben bewältigen können. „Die Zusagen des Bundes, Entscheidungen in der Gemeindefinanzkommission nur im Einvernehmen mit den Kommunen treffen zu wollen, werten die Städte als ermutigendes Signal für die Bereitschaft zur einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit“, heißt es in dem Text.
Vorsorgende Sozialpolitik – kein Jugendlicher ohne Schulabschluss
Für die Zukunft wird empfohlen, den Handlungsspielraum der Städte für eine präventive, fördernde und unterstützende Sozialpolitik zu stärken, um Chancengerechtigkeit zu fördern sowie Armut und Abhängigkeit von Transferleistungen zu verhindern. Die Städte regen einen gemeinsamen Pakt von Bund, Ländern und Kommunen mit dem Ziel an, dass kein Jugendlicher ohne Abschluss und damit ohne die Mindestvoraussetzung für den Einstieg in die berufliche Ausbildung die Schule verlässt. Die Resolution schließt mit dem Satz: „Chancenlosigkeit darf künftig keine Chance mehr haben!“